Roter Salon
Konzert/Concert
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Der Punk muss zurück an die Volksbühne und Kämpfe von Arbeiterinnen und Arbeitern müssen zurück an ein Arbeitertheater. In den letzten Jahren sind zahlreiche Orte in Berlins Mitte verschwunden, an denen Punkbands auftreten können. Wir wollen mit unserer Konzertreihe dem etwas entgegenstellen und Neues etablieren. Wir sind fünf Bühnenarbeiter der Volksbühne, unterstützt von vielen weiteren Kolleginnen und Kollegen des Hauses. Ab Februar wird im Roten Salon alle zwei Monate ein Punkkonzert (2 Bands, 1 DJ) von uns veranstaltet.
Das Besondere: Im Zuge jedes Konzertes wird einem Arbeitskampf gedacht. Die Kämpfe liegen sowohl in der Vergangenheit als auch in der Gegenwart. Viele Arbeitskämpfe sind in Vergessenheit geraten. Wir wollen an die Geschichten, die Wut und den Mut der Kolleginnen und Kollegen erinnern. Vor allem wollen wir die Geschichten überhaupt erst mal erzählen. Wir konnten dafür die Schriftstellerin Anna Tüne für uns gewinnen. Sie berät uns und arbeitet die Texte zu den von uns gewählten Arbeitskämpfen aus.
Bands: Hyäne (Punk, Berlin), Imbiß (Punk, Berlin)
DJ: Schnürmeister Kåks (76 — 84 Punkrock Venyl)
Arbeitskampf: Streik der Belegschaft von GM&S, 1990 bis heute, La Souterraine, Frankreich
Kontakt:
[email protected]
Verantwortliche: Mattias Kåks, Leander Hagen, Paul Flagmeier, Jan Krüger, Frank Meißner
Redaktion/Texte Arbeitskämpfe: Anna Tüne
Dramaturgie: Sabine Zielke
Die tapferen Kämpfe in der „Unterirdischen“
Mitten im ländlichen Herzen Frankreichs liegt eine Kleinstadt mit absonderlichem Namen: La Souterraine (Die Unterirdische). Man baute dort in den 70er Jahren eine Autozubehörfabrik auf, die zeitweise bis zu 600 Menschen beschäftigte. Seit 1990, als die Globalisierung einen großen Sprung nach vorn machte, wurde die nun GM&S genannte Fabrik von einigen aufeinanderfolgenden Besitzern nur noch ausgeschlachtet: Die Gewinne flossen immer üppiger ab und es wurden keinerlei Investitionen mehr getätigt. Die Belegschaft streikte einige Male, versuchte darauf aufmerksam zu machen, dass man den Betrieb wohl wissentlich an die Wand fahre.
Dann wurde bekannt, dass man nunmehr die gesamte Fabrik mitsamt der Belegschaft nach Polen transferieren wolle. Die Kollegen gingen sofort in den unbefristeten Streik und blockierten alle Zugänge zum Betrieb und drohten damit, alles in die Luft zu jagen, sobald der erste Umzugs-Transporter auftauchen würde. Zur Illustrierung waren überall die großen üblichen Haushaltsgasflaschen zu sehen, von denen irgendwelche Drahtgeflechte und Buchsen hingen. Diese regelrechte Verzweiflungsaktion wurde ein wichtiger Höhepunkt des schon so lange schwelenden Arbeitskampfes. Die besonderen Bedingungen im großen Wahljahr 2017 — Wahl des Präsidenten und nachfolgend die der Abgeordneten der Nationalversammlung und dies jeweils in zwei Wahlgängen -, haben die Kollegen klug genutzt. Um gutes Wahlwetter bemüht, schickte man nun Unterhändler von Peugeot und Renault, Hauptabnehmer der GM&S-Produkte und immer noch teilweise in Staatsbesitz.
Aber am 12.5.17 gab es immer noch keinerlei entsprechende verbindliche Zusage. Da begann die Belegschaft eine Aktion, die man in anderen Gesellschaftskreisen eine enorme Kunstaktion („Realer Dekonstruktivismus“?) genannt hätte: Im Beisein vieler Medien wurde jeden Tag eine der riesigen Maschinen vor das immer noch blockierte Werktor gerollt. Mit Schneidbrennern, Hämmern und weiteren Werkzeugen, mit Riesenkrach und spektakulären Feuergarben flexte man sie auseinander und vernichtete sie restlos. Verschmitzt gab man viel später zu, natürlich nur bereits ausgemusterte Maschinen benutzt zu haben, um vor Augen zu führen, welche Wertvernichtung seit Jahren politisch gebilligt und gefördert wird. „Ihren“ Maschinen — kostbare Arbeitsinstrumente — haben sie natürlich keine einzige Schraube gekrümmt. Am 13.6.17 blockierten sie im weiteren lokalen und regionalen Umfeld Straßenkreuzungen ebenso wie die Eingänge von Behörden. Belegschaften weiterer Betriebe, aber auch viele sympathisierende Menschen, beteiligten sich an diesen mobilen Sperraktionen.
Aber die Dauer der Auseinandersetzungen hat bereits hohe Tribute gefordert: Die Kollegen geraten außer Atem, Übermüdung und unweigerlich entstandene finanziellen Notlagen haben nach und nach Wut und Entschlossenheit in verbleibende verbissene Resignation gewandelt. Manche gaben auf. Jetzt sind nur noch 140 Kollegen im Betrieb tätig. Viele sind entlassen, vor allem auch jene, die zu den Aktivsten unter ihnen zählten. Was werden wird, weiß keiner. Die seit einigen Wochen in ganz Frankreich flächendeckend aufgetretenen Proteste der sogenannten „Gelben Westen“ geben auch den MB&S-Kollegen wieder neue Kraft.
Ihnen allen, ihren Frauen und ihren Kindern, der ganzen kleinen „unterirdischen“ Stadt gelten unsere Solidarität und unser Mitgefühl.
Anna Tüne
Hyäne
Hyäne? Das ist ein 2016 gegründetes Berliner Trio, welches mit wunderbar tristem Post-Punk aufwartet. Schreiende Gitarrensounds, pumpende Basslines und impulsive Drumbeats verleihen dem anklagenden Gesang einen unverschämt brachialen Sound. Ein Vergleich mit frühen Machwerken von Killing Joke lässt sich nicht leugnen, auch wenn Hyäne deutlich mehr Bissigkeit an den Tag legen. Nach einer vielversprechenden 7“ im Jahre 2016 und Touren durch Spanien und die USA haben die drei Berliner nun im August 2018 mit der durchweg überzeugenden 12“ „Demontage und Zerfall“ nachgelegt. So brutal ehrlich und gleichzeitig melancholisch düster haben sich die Berliner Nächte schon lange nicht mehr präsentiert.
Mehr Infos auf:
https://hyaene.bandcamp.com/
Imbiß
Dreifach geballter Powerpop-Punk aus Neukölln: Das sind Imbiß, welche nur darauf warten, euch ein wildes Potpourri ihrer musikalischen Gaumenfreuden um die Ohren zu hauen. Von zart bis hart, süß bis sauer oder leicht bis deftig — so oder ganz anders lässt sich ihre erste Platte „eszet“ beschreiben, welche seit Ende 2017 über die Ladentheken geht. Und wie man munkelt wird schon fleißig an der nächsten Scheibe gebastelt. In diesem Sinne, tanzt ihr Schweine, und niemals vergessen: „Pop ist Pop. Funk ist Funk. Imbiß ist Beste. Gott sei Punk.“
Probierhappen:
http://tanztihrschweine.de/
en
Punk must return to the Volksbühne and the struggles of workers must return to a workers' theatre. In recent years, many places that punk bands could perform at in the middle of Berlin have disappeared. Thus, through this concert series, we're looking both to fight against something and to establish something new. We're a group of five Volksbühne stagehands, with the support of many other colleagues at the theatre. And beginning in February, we're presenting a punk concert (2 bands, 1 DJ) in the Roter Salon every two months.
There's more: Over the course of each concert, a labour conflict will be commemorated. These struggles come from both the past and the present. In general, there’s many labour disputes that have been forgotten. We want to remember the stories, the anger and the courage of our colleagues. Above all else, we want these stories to be told in the first place. For this we were able to acquire the talents of writer Anna Tüne. She's our advisor and prepares the texts on the labour disputes we have chosen.
Bands: Hyäne (Punk, Berlin), Imbiß (Punk, Berlin)
DJ: Schnürmeister Kåks (76 — 84 Punkrock Venyl)
Labour Dispute: GM&S workers strike, 1990 to the present day, La Souterraine, Frankreich
Hyäne
Hyäne? Named after hyenas, this Berliner trio was founded in 2016 and creates wonderfully sad post-punk. Screaming guitar sounds, pumping bass lines and impulsive drum beats cushion accusatory vocals in a shamelessly brutal sound. A comparison to the early concoctions of Killing Joke is appropriate, even though Hyäne have much more acerbity on display. After a very promising 7-inch record in 2016 and tours through Spain and the USA, these three Berliners upped the ante in August 2018 with the highly compelling 12-inch Demontage und Zerfall (Disassembly and Decay). It's been a long time since Berlin nights have shown themselves to be this brutally honest and melancholically grim at the same time.
Imbiß
Triple-concentrated power-pop-punk from Neukölln: Imbiß is just waiting to smash your ears with a wild potpourri of their musical auditory pleasures. From tender to hard, sweet to sour and light to heavy – that's just one description of their first record eszet, flying off the shelves since the end of 2017. And rumour has it that they're already working away on their next disc. In this spirit, dance on you pigs, and never forget:
„Pop is Pop.
Funk is Funk.
Imbiß is the Best.
May God be Punk.“
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https://volksbuehne.berlin/de/programm/7336/vergessene-arbeitskaempfe-ein-punk-abend-die-tapferen-kaempfe-in-der-unterirdischen